Familiengedicht - von Margot Maria Traber, geb. Spindler (1921 - 2016)
"Die Familie der Narren
Ich stamm’ aus der großen Familie der Narren,
von denen der Kluge verächtlich spricht:
Was tut Ihr? Ihr zieht den Thespiskarren,
zur redlichen Arbeit, da taugt Ihr ja nicht.
Was könnt Ihr schon schaffen, was könnt Ihr nützen?
Ihr vertrödelt ja nur die kostbare Zeit,
mit albernen Späßen und dummen Witzen,
Ihr Possenreißer im Narrenkleid.
Was weißt Du, Amtmann,
mit Deinem fetten und feisten Genick?
Dein Amtskleid ist Dir lästige Bürde.
Was weißt Du von uns und unserem Geschick?
Was weißt Du von unserer Würde?
Auf dem Regenbogen stehen,
und fliegen durch die Nacht,
den Himmel offen sehen,
der kleine Stern mit lacht.
In Nebelschwaden eingetaucht,
der Narr steigt auf zum Firmament.
So glaubt ihm doch, dass er Euch braucht,
auch wenn Ihr ihn nicht kennt.
Der Narr gibt, was er geben kann,
auch wenn sein Inneres zerbricht,
was ihn bedrückt, wen geht’s was an,
denn Narren weinen nicht.
Mal ist das Kleid aus schimmernder Seide,
mal ist es aus einfachem Baumwolltrikot,
mal trag ich es hier, morgen und heute,
und übermorgen anderswo.
Ist dann vorüber meine Zeit,
dann streiche ich mit zitternden Händen,
mein liebes, mein altes Narrenkleid,
brauch mich für niemanden mehr verrenken.
Doch will man von uns Narren nichts mehr wissen,
sind erst erloschen die Lichter der Rampenwelt,
wer wird uns da wohl je vermissen,
dann ist das Spiel aus, und der Vorhang fällt."